angedacht - gesegnet - ermutigt * unser Gedanke zur Woche

Wer die Gedanken montags direkt per Mail bekommen will, schreibt uns: hochschulpfarramt.ludwigsburg(a)elkw.de

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"Adventsstau" (Stephan, 09.12.24)

Die Welt glitzert und glänzt wunderschön. Ich bin an einem frühen Adventsabend von einem Vortrag auf dem Rückweg nach Ludwigsburg. Ich genieße die Fahrt durch bunt-beleuchtete Orte, manchmal strahlen Vorgärten fast taghell, manchmal ist es ein kleines-feines Kerzenlicht in einem Fenster – Advent at its best!

Aber nach 5 Minuten werde ich nervös. Es ist voll, nicht nur voll Lichterglanz, sondern volle Straßen. In jedem Ort, vor jeder Kreuzung und Ampel: Stau! Meine adventliche Freude und Geduld bleiben auf der Strecke. Denn in Ludwigsburg beginnt das Friedensgebet auf dem Weihnachtsmarkt pünktlich mit dem Glockenläuten der beiden Kirchen am Marktplatz. Und ich gestalte es mit!
Ich verliere den Blick für das Adventsglitzern und starre auf verstopfte Straßen vor mir. Mein Puls steigt in die Höhe. Da höre ich plötzlich von vollen Straßen in New York! Ich spitze die Ohren – es ist die Wiederholung eines Morgengedankens im Radio:

Der US-amerikanische Pfarrer und Autor Norman Vincent Peale steht im Stau und erzählt:
Unser Taxi schaffte in jener Vorweihnachtszeit in 15 Minuten etwa zwei Häuserblocks. „Dieser Verkehr ist eine Katastrophe“, schimpfte mein Begleiter. „Er nimmt mir das ganze bisschen Weihnachtsstimmung, das ich habe.“ Mein anderer Begleiter war philosophischer. „Es ist unglaublich“, sinnierte er, „ganz und gar unglaublich. Denkt doch bloß – ein Kind, das vor über 2000 Jahren mehr als 8000 Kilometer von hier geboren wurde, verursacht ein Verkehrschaos auf der Fifth Avenue in New York.“

„Ganz und gar unglaublich“ – bei diesem „Radio-Adventsstau-Gedanken“ muss ich schmunzeln, werde ruhiger. Ich schaue, wer neben mir im Stau steht – wahrscheinlich auch genervt. Am liebsten würde ich das Fenster öffnen und rüber rufen: „Ein Kind vor über 2000 Jahren geboren und das Verkehrschaos hier und heute – ganz und gar unglaublich!“ Ich lasse es bleiben, wäre vielleicht doch etwas verrückt. Aber ich nehme dieses „ganz und gar unglaublich“ mit in den Abend und zum Friedensgebet.
Mit Schwung parke ich das Auto in die Garage, schnappe das Fahrrad (mit dem bin ich schneller auf dem Marktplatz), rase in die Innenstadt und biege mit dem Glockenläuten auf den Weihnachtsmarkt ein. Noch etwas außer Atem genieße ich es nun in vollen Zügen: Das Lichterglitzern rund um die Bühne und die Menschen bei uns, egal ob glühweinschlürfend oder mitsingend. Ich hoffe, sie haben etwas mitbekommen von unserem Friedensgebet, von unserem Singen und Sagen, von unserer Sehnsucht nach „Frieden auf Erden“.

Nehmt auch ihr es mit in die 2. Adventswoche, ob im Stau oder Studium, ob WG oder Weihnachtsmarkt - und in all dem das Kind geboren vor gut 2000 Jahren: „ganz und gar unglaublich…“!

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"Orange Day" (Stephan, 25.11.24)

Eine Orange – meine erste in diesen Wochen: süß-sauer und orange!
Orange, was für ein Geschmack! Orange – was für eine Farbe!
Laut Umfragen mögen nur wenige Deutsche die Farbe Orange.
Ich aber liebe Orange – die Frucht und die Farbe, besonders in diesen Tagen.

Orange wie Kürbisse – lecker gekocht, gebraten, gebacken – Herbstgenuss pur.
Orange wie der Sonnenuntergang – Erinnerung an einen Urlaubsabend am Meer.
Orange wie die Schneemannkarottennase – Sehnsucht nach Winter-Wonderland.
Orange wie Ringelblumen – strahlender Hingucker auf Sommerwiesen.
Orange wie Wollsocken – von Oma gestrickt für warme Füße im Winter.
Orange wie die knalligen Regenstiefel – zum In-Pfützen-Springen im Novemberregen.
Orange wie der Lippenstift – geküsst schmeckt es tatsächlich ein wenig nach Orange.
Orange wie Rettungshubschrauber Christoph 4 – im Einsatz für Leben.
Orange wie mein Lichtkreuz – Sonnenstrahlen durchs Fenster, es beginnt zu leuchten.
Orange wie das Kerzenlicht – angezündet zwischen Totensonntag und 1. Advent.

Orange, es ist diese besondere Mischung aus kräftigem Rot und hellem Gelb, Symbol für Licht und Wärme. Orange ist nicht nur für mich eine quicklebendige Farbe, wie das Leben selbst, eine Farbe für die Leichtigkeit des Seins, für Neugier und Kreativität, für Feste und Fröhlichkeit, für Energie und Sinnlichkeit.
In Spanien nennen Ehemänner ihre Frauen liebevoll „media naranja“, die Orangenhälfte, wie bei uns die „bessere Hälfte“. In Deutschland gab es früher einen Brauch, bei dem junge Mädchen ihrem Geliebten eine Orange vom Balkon zuwarfen.
Manchmal wird aber auch der Teufel orange dargestellt…

Und heute, am 25. November ist „Orange Day“, nicht aus Liebe zur Farbe, sondern als  internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen. In Lateinamerika wurde der 25.11. schon 1981 als Gedenk- und Aktionstag ausgerufen, seit 1991 gibt es die UN-Kampagne „Orange the World“: 16 Aktionstage vom 25.11., dem Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen, bis zum 10.12., dem Tag der Menschenrechte.
Am heutigen Montag werden weltweit Gebäude orange angeleuchtet, so auch das Ludwigsburger Rathaus, Menschen tragen orangene Armbänder und es gibt verschiedene Veranstaltungen, um Menschen für die Thematik zu sensibilisieren. Wir als ESG-KHG beraten und beschließen am morgigen Dienstag unser Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt. Und am Donnerstag ist der vierte digitale Ludwigsburger Hochschultag zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt. Die fünf Hochschulen stellen dieses Mal das Thema Machtmissbrauch in den Mittelpunkt.

Ich liebe Orange, die Frucht und Farbe, aber heute am „Orange Day“ gewinnt das Orange noch eine weitere Bedeutung. Denkt heute mit daran und setzt Zeichen gegen Gewalt an allen Tagen...

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"St. Martinsgänse" (Stephan, 11.11.24)

„St. Martin, St. Martin…“ Heute ist es wieder so weit: Martinstag (und klar, um 11:11 Uhr auch Beginn der närrischen 5. Jahreszeit). Als Kind habe ich das Martinsfest geliebt und freue mich heute noch, wenn ich Kinder mit Laternen durch die Stadt ziehen sehe oder sogar einen St. Martin auf einem Pferd voraus. Höhepunkt war für mich immer, wenn er mit einem Schwertstreich den Mantel für den Bettler am Straßenrand teilte. Die Geschichte kennen wir alle aus Kindertagen. Eine Geschichte, die auch uns Erwachsene immer wieder an das Teilen von Barmherzigkeit erinnert. Es ist nicht die einzige Legende aus Martins Leben. Meine zweitliebste ist die Gänsegeschichte.

Als Martin seinen Dienst beim römischen Militär an den Nagel gehängt hatte, wurde er Mönch. Er war so beliebt, dass er zum Bischof von Tours gewählt wurde. Ziemlich umstritten vor allem in Kirchenkreisen: Ein asketischer Mönch, einfache Kleidung, ungepflegtes Haar – und der soll Bischof werden!? Martin selbst fühlte sich dem verantwortungsvollen Amt nicht gewachsen und versteckte sich in einem Gänsestall. Doch die Gänse mit ihrem aufgeregten Geschnatter verrieten ihn. Martin wurde gefunden und willigte dann doch ein: Er wurde Bischof, blieb zugleich Mönch und wurde weit über Tours hinaus bekannt und beliebt. So beliebt, dass Martin bis heute einer der bekanntesten Heiligen ist, obwohl er nie heiliggesprochen wurde. Im Jahr 397 starb er im Alter von 81 Jahren und wurde am 11.11. beerdigt. In Gedenken an diesen Tag gilt bis heute der 11.11. als Martinstag, im Heiligenkalender und bei Martinsumzügen.

Und die Gänse? Denen wird, seit sie Martin „verraten“ haben, der Hals umgedreht. Als „Dank“ werden sie knusprig gebraten in der Martinszeit und bis Weihnachten serviert! Anders die kultur-historische Version: Am Martinstag endete seit jeher das bäuerliche Wirtschaftsjahr. Löhne, Zinsen und Steuern wurden gezahlt; die Zinsen oft in Naturalien, auch mit Gänsen. Um diese nicht über den Winter durchzufüttern, gab es am Martinstag Gänsebraten.Nach der kirchlich-religiösen Version ist Martin Schutzpatron nicht nur für Frankreich, Reisende, Arme und Bettler, für Geflüchtete, Soldaten und Schneider (wohl wegen des zerschnittenen Mantels!), sondern auch für die Gänse. Und der 11.11. lag kurz vor der Adventsfastenzeit – also noch einmal Gänsebraten! Die biologisch-klimatische Version: Am Ufer der Loire gab es um den 11.11. herum ein Aufblühen weißer Blüten (weiß wie Gänse). Und südlich der Alpen spürt man oft noch einen letzten Hauch Sommer. In Italien spricht man von „Estate di San Martino“, „Martinssommer“.Meine Version: Manchmal ist es gut zu „schnattern“, den Mund aufzumachen: „Hört her, schaut her. Macht die Ohren und Augen auf, dass ihr es nicht überseht oder überhört. In all dem unsäglichen Schlamassel dieser Welt gibt es auch Gutes. Vergesst nicht die guten Nachrichten. Sagt sie selbst weiter, wie schnatternde Gänse.

In diesem Sinne wünsche ich euch für den heutigen Martinstag und die neue Woche:

- etwas Warmes, wie ein Mantel, in den ihr euch kuscheln oder das ihr teilen könnt.
- ein paar „schnatternd“-gute Nachrichten, wie von Gänsen, denen ihr aber nicht den Hals umdrehen müsst.
- Neuentdeckung eurer Begabungen, die ihr nicht verstecken müsst, sondern zum Vorschein bringen könnt.
- Barmherzigkeit mitten im Schlamassel der Welt, Barmherzigkeit für euch und andere.

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"Himmels-Richtung" (Stephan, 28.10.24)

Gedankenverloren - in Gedanken versunken
bin ich auf dem Weg in Stuttgart zu einem Termin.
Ich komme durch einen kleinen Park
und plötzlich – wie aus heiterem Himmel – direkt vor meinen Füßen
ein Pfeil auf dem Weg
wie ein Fingerzeig – wie ein Wegweiser
noch oben zeigend - himmelwärts weisend
ein Pfeil Stufe um Stufe hinaufkletternd
und die Pfeilspitze zeigt nach ganz oben
über die Baumwipfel hinaus hinauf in den Himmel.
Der Pfeil ist nur einer von mehreren,
es gibt weitere, geradeaus und um die Kurve nach links,
wahrscheinlich eine Schnitzeljagd zu einem Kindergeburtstag – so denke ich
(hoffentlich haben die Kinder ihr Ziel erreicht und den Schatz gefunden).
Ich gehe langsam Stufe und Stufe hinauf über den Pfeil hinweg
und er hält mich die kommenden Tage gefangen
schleicht sich immer wieder in meine Gedankengänge:
ein Pfeil Richtung Himmel – „Himmelsrichtung“
wie praktisch wäre das im Alltag, in den Zweifeln und Fragen,
zu Beginn des Semesters, in den Aufbrüchen im Leben,
ein Pfeil, der die Richtung weist, nach vorn, hinauf, bis in den Himmel.

Ein Pfeil Richtung Himmel,
den suchte auch Martin Luther vor rund 500 Jahren
ein Pfeil hinauf aus dem irdischen Elend
ein Pfeil heraus aus dem quälenden Zweifelgedankenkarussell
ein Pfeil himmelwärts zu einem gnädigen Gott.
Langsam aber sicher, zögerlich und überraschend hat Luther erkannt,
er muss nicht den Pfeil himmelwärts suchen,
sondern kann die Hand sehen, die vom Himmel herabgestreckt wird
und Liebe, Segen und Barmherzigkeit schenkt.
So hat er einen neuen Weg entdeckt, für seinen Glauben und das Leben,
und das hat alles auf den Kopf gestellt und wieder zurück auf die Füße.
Jetzt am Donnerstag, 31.10. ist Reformationstag, Erinnerung an die Wegwende,
die Luther eingeschlagen hat und mit 95 Thesen an die Kirchentür geschlagen hat,
die als Wendepunkt hin zur Reformation gedeutet wird – und bis heute fortwirkt
in Glaubenszweifeln, Lebensfragen und Wegwendepunkten auch bei uns.

Wendepunkte, die uns neu ausrichten,
Blickwechsel, die uns im besten Sinne auf den Kopf stellen,
Pfeile, die uns den Weg weisen nach links, geradeaus, hinauf,
Himmelsrichtungen, die von oben den Überblick schenken
und Hände, die uns Halt und Sicherheit geben
die wünsche ich euch für diese Woche – und auch für die kommenden

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"bester Beruf" (Stephan, 14.10.24)

Bahnfahrt vor kurzem zwischen Würzburg und LB. Es passiert mir, was viele von Euch, die Bahnfahren, sicher schon erlebt haben: Der Zug hält plötzlich mitten auf der Strecke. Es geht nicht weiter. Und ich denke: „Oh, nein. Was ist jetzt los?!“ Doch dieses Mal überraschend schnell - nur wenige Sekunden nach dem unfreiwilligen Stopp - gibt es eine Durchsage: „Wegen einer Baustelle ist die Strecke vor uns eingleisig und wir müssen auf den entgegenkommenden Zug warten. Wird nicht lange dauern.“ Ich danke für die Info und hoffe, dass es wirklich nur kurz sein wird. Kurze Zeit später noch einmal eine Durchsage. Ich denke: „Oh, nein. Jetzt kommt bestimmt, dass es sich doch länger verzögert.“ Aber falsch gedacht. Es ist eine ganz andere Durchsage: "Hier ist nochmals Ihr Lokführer. Wenn wir schon hier warten müssen, will ich Ihnen etwas Persönliches erzählen." Alle Passagiere spitzen die Ohren, manche nehmen sogar ihre Kopfhörer ab und hören gespannt, was der Lokführer zu sagen hat: "Der Beruf des Lokführers ist der schönste der Welt, zumindest für mich. Schon als kleiner Junge habe ich davon geträumt, Lokführer zu werden. Aber zuerst war ich Krankenpfleger. Erst über den zweiten Bildungsweg konnte ich dann meinen Traum erfüllen und Lokführer werden. Und bis heute gab es keinen Tag, an dem ich nicht gerne zur Arbeit gegangen bin, vor allem wenn ich Sie durch so schöne Landschaften fahren kann wie hier. Ich will jetzt keine Werbung für diesen schönen Beruf machen, aber wollte Sie ein wenig erfreuen, wenn wir gerade nicht weiterkommen."

Es war das erste Mal bei einer Zugfahrt, dass ich es erlebt habe, dass der Lokführer wie ein Pilot nach der Landung Applaus bekam. Und ich glaube, nicht nur mir wurde es in dem Moment warm uns Herz. Und nach wenigen Minuten ging es weiter auf unserer Fahrt.

Die Fahrt ins Wintersemester hat jetzt für alle richtig begonnen bzw. beginnt diese Woche. Ob ihr das studiert, mit dem ihr später wie der Lokführer euren Traumberuf finden werdet, wer kann das jetzt schon wissen. Aber unabhängig vom Traumberuf habe ich heute – in Erinnerung an die Durchsage des Lokführers – Wintersemesterwünsche für Euch:

- Ich wünsche Euch, dass es viele Tage geben wird, an denen ihr gerne zur Hochschule geht.
- Ich wünsche Euch, dass ihr bei Semester-Zwischenstopps schöne Überraschungen erlebt.
- Ich wünsche Euch, dass ihr dieses Semester, diese Woche und viele Momente Eures Lebens mit Applaus belohnen könnt, für euch und mit anderen zusammen.  

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"laut-lebendige Fahrt" (Stephan, 23.09.24)

Überraschungsfahrt zu einer Tagung in Berlin. Ich steige in Stuttgart in den ICE und klappe mein Laptop auf, um ein wenig zu arbeiten. Doch irgendwie gelingt es mir nicht gut. Warum ist es im Großraumwagen so laut? Warum beachten die anderen nicht, dass wir im „Ruhebereich“ sind? Habe ich doch extra reserviert! Mein Blick wandert zur Seite und fällt über dem Fenster auf das Logo „Handybereich“! Irgendetwas muss bei meiner Buchung schiefgelaufen sein und die anderen reden, telefonieren und dürfen zu Recht laut sein.Erst ärgere ich mich, weil in Ruhe lesen und arbeiten nun schwierig wird. Doch dann wird es richtig "unterhaltsam":

- Ein Informatiker vor mir telefoniert mit der halben Welt, um Computerprobleme zu lösen.
- Eine Vierergruppe Kolleg*innen neben mir unterhält sich aufgeregt über die Fortbildung, zu der sie anreisen.
- Ein Pärchen hinter mir überlegt, wie sich mit dem Smartphone Screenshots machen und bearbeiten lassen.
- Eine Seniorengruppe, die mit großen Koffern zusteigt, spricht über Waldbrände im Urlaubsgebiet, zu dem sie unterwegs sind.
- Später tauschen sich zwei Freunde lautstark über die Politik in diesen Zeiten aus und überlegen, wie es besser und gerechter laufen könnte.
- Und dann setzt sich eine Dame in die Nähe, die laut mit sich selbst redend ein Kreuzworträtsel zu lösen versucht. Der halbe Großraumwagen hört und rät innerlich mit.

Und ich beginne es zu genießen, diese Überraschung, wie aus der ruhig-relaxten eine laut-lebendige Zugfahrt wurde. Was für ein wunderbares "Hörbuch" an Menschengeschichten, die ich im "Ruhebereich" alle verpasst hätte! Die Erinnerung an diese Zugfahrt nehme ich mit ins Wintersemester, das nun auch langsam Fahrt aufnimmt. Und ich wünsche Euch:

- Wenn es mal nicht ruhig zugeht, hört genau hin, was sich daraus Lebendiges ergeben kann.
- Wenn euch eine Überraschung erwischt, schaut, ob darin auch Gutes stecken kann.
- Wenn ihr auf der Fahrt durchs Semester seid, vergesst nicht die, die mit euch unterwegs sind.
Dann kann es eine wunderbar-lebendige Zeit werden.

Allen, die schon begonnen habe, Euch wünsche ich ein gutes Wintersemester. Alle, bei denen der Semesterstart noch vor Euch liegt, genießt die Zeit, bis es losgeht.

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"Tagungslampen-Gott" (Stephan, 08.07.24)

In den vergangenen Tagen war ich beim Pfarrkonvent, dem „Klassenausflug“ der Pfarrer*innen aus und um Ludwigsburg. Thema dieses Jahr: „Weiter Raum – kreatives Schreiben“. Eine Aufgabe war: Sucht euch einen Gegenstand aus! In unserem Tagungssaal – mit Blick auf den Bodensee – wähle ich die seltsam-schöne Lampen an der Decke als meinen Gegenstand. Und dann die Überraschung von unserem Spoken-Art-Poeten: Schreibt nun einen Text mit dem Beginn: „Gott ist wie (unser Gegenstand)…“. Was für eine verrückte Schreib- und Denkaufgabe! Hier mein Ergebnis zum „Tagungslampen-Gott“ für euch zum Start in die neue Woche:

Gott ist wie die Tagungslampen,
nicht die neuen Energiesparstrahler,
sondern die wellen-wolken-weißen,
die an der Decke hängen und in diesen Tagen noch nicht geleuchtet haben.
Unbeleuchtet, unangeschaltet, unscheinbar
und doch da,
faszinierend-rätselhaft,
wie aus der Zeit gefallen und doch ziehen sie meinen Blick immer wieder nach oben
weiß wie Schäfchenwolken am ewig weiten Himmel
weiß wie Schaumkronenwellen im tiefgründigen See.

Nah und fern zugleich,
nicht zu greifen, aber zu erahnen,
wie es sein könnte, wenn sie leuchten
sanftes Schimmern, warmes Wohlgefühl,
heller, freundlicher, geborgener,
der Raum um mich herum und in mir.

Tagungslampen-Gott,
immer drei hängen neben-, um- und beieinander,
in einem ungleichmäßig-trinitarischen Spiel an Formen,
was hat das zu bedeuten?
Von allen Seiten umgibst du mich – mit deinem Strahlen.
Und ob ich schon saß im finsteren Saal – dein Leuchten umfängt mich.
Selig sind die sich sehnen nach Licht – sie sollen das Glitzer-Glänzen sehen.

Wo ist der Schalter, um sie anzuknipsen
die Lampen - und Gott?
Es werde Licht!

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"Euro 24 - anders!" (Stephan, 24.06.24)

Freitagabend, 20 Uhr:
Litauen stemmt jubelnd den Pokal in den Hamburger Himmel – sie sind Europameister! Das deutsche Team kam nur auf Rang 7. Hä, die EM ist doch noch nicht vorbei? Litauen war doch gar nicht dabei? Und Rang 7 gibt es doch auch nicht?! Doch, und zwar bei der Homeless-Euro 2024, deren Finale am Freitag in Hamburg war. 5 Tage lang spielten acht Nationen um den Titel auf dem Kleinspielfeld der offiziellen EM-Fanzone am Heiligengeistfeld. Ich habe erstmals von der Obdachlosen-EM erfahren, dabei gibt es sie schon länger - bis hin zur WM. Man wolle bewusst Irritationen verursachen, Vorurteile aufdecken und zeigen, dass "obdachlose Menschen mehr sind als nur alkoholkrank und drogenabhängig", so Straßen-Sozialarbeiter und Politiker Johan Graßhoff. Ich bin begeistert und gratuliere Litauen zum Titel!

Sonntagabend 22 Uhr:
Ich bibbere doppelt an diesem Abend. Erst einmal mit der deutschen Fußballmannschaft. Noch liegen sie 0:1 zurück. Mal sehen, ob sie das Spiel gegen die Schweiz noch drehen können.  
Und ich bibbere, dass in Stuttgart rund ums Spiel Ungarn - Schottland alles gut geht. Denn neben dem Fernseher liegt meine Notfallseelsorge-Ausrüstung bereit. Ich habe Einsatzschicht von 19 bis 1 Uhr. Sollte etwas Größeres passieren, wird unser Team aus Ludwigsburg alarmiert und hinzugerufen. Notfallseelsorge-Bereitschaft zur EM hatte ich auch noch nicht zuvor. Wenn ein Unglück passiert und Menschen in Not sind, sind wir zur Stelle. Aber natürlich hoffe ich für alle, dass es ein Abend und eine Nacht wird, die wohlbehalten für Leib und Seele sein wird.

Montagmorgen 8 Uhr:
Gestern gerade noch gut gegangen: Deutschland - Schweiz: 1:1, und damit Gruppensieg. Und beim Spiel in Stuttgart Tor in allerletzter Minute für Ungarn. Darüber hinaus blieb es ruhig. Wir wurden nicht nach Stuttgart in den Einsatz gerufen. Thanks God - Gott sei Dank! Und ich bitte ihn heute Morgen darum, dass es so bleibt für diese neue Woche, die restliche EM und für jede*n von Euch: friedlich, fröhlich und fair, egal ob ihr fußballbegeistert seid oder es euch nicht interessiert, egal ob ihr Titel gewinnt oder mit den Niederlagen des Alltags zu kämpfen habt, seid glücklich, gesund und gott-gesegnet.

Zum Glück und für eure Fröhlichkeit, als kleine Aufmunterung zum Wochenstart noch ein netter Fußball-Bibelwitz:  
Wer war der erste Torhüter? Noah! Denn in der Bibel steht: Gott sprach: Noah, geh in den Kasten (die Arche), ich mache Sturm!“ (frei nach: Bibel, 1. Buch Mose 6,14.17)

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"hoffnungs-voll!" (Stephan, 10.06.24)

Am heutigen Montag weiß ich nicht, ob mir zum Lachen oder zum Weinen zumute ist.
Vor einer Woche habe ich noch meiner Schwester in Augsburg geholfen, den Keller auszupumpen, um die Hochwasserschäden klein zu halten. Nun sinkt der Wasserpegel langsam. Ich lese in den Nachrichten meiner Schwester ein leichtes Lächeln heraus. 
Zugleich das Wahlergebnis der Europawahlen, in Deutschland, aber auch in Frankreich, Italien, Österreich und anderswo. Parteien, die die Klimakrise ernst nehmen und angehen, verlieren deutlich und rechtspopulistische Parteien gewinnen. Es ist zum Weinen.
Weinen oder Lachen zu Beginn dieser Woche? Da begegnet mir am Sonntagabend ein Satz: „Wer einen Menschen zum Lachen bringt, öffnet ihm das Himmelreich.“ Das kann ich heute gut gebrauchen, Menschen, die mir das Lachen bringen. Mit hoffnungsvollen Nachrichten für die Zukunft in unserem Land, Europa und unserer (Mit)Welt. Da könnte von mir aus das Himmelreich auch noch etwas warten…

Das Zitat vom Zum-Lachen-bringen stammt von Jürgen Moltmann. Er war einer der „großen“ Theologen des 20. Jahrhunderts. Vor einer Woche ist er im gesegneten Alter von 98 Jahren ge-storben und wird kommenden Freitag in Tübingen beerdigt. Weltweit berühmt wurde der Theologieprofessor im Jahr 1964 mit seinem Buch „Theologie der Hoffnung“. Wichtiges Thema in Moltmanns Denken und Glauben war die ökologische Krise, über seine Umwelt-Schöpfungslehre „Gott in der Schöpfung“ bis zu seinem im vergangenen Jahr erschienenen, letzten Buch „Weisheit in der Klimakrise“. Auch bei diesem Thema hat er an seiner „Theologie der Hoffnung“ festgehalten. In einem Interview drückte er es so aus: „Die gro-ße Hoffnung sagt: Eine andere, eine gerechtere Welt ist möglich. Gib dich nicht auf, setz dich ein! Jedes Kind, das zur Welt kommt, verkörpert einen erneuten Anlauf zu diesem Gelingen. In jedem Kind wartet Gott sozusagen auf den menschlichen Menschen.“ In einem Aufsatz, den er mit 96 Jahren zur „beharrlichen Hoffnung“ schrieb, hat er es so formu-liert: Die Hoffnung ist eine „Kraft zum Leben, Mut zur Zukunft und Geduld im Leiden“. Ich nehme es mir zu Herzen und zum Vorbild, auch für den Beginn dieser Woche.

Wir haben gewählt, in Europa und unseren Kommunen. Angekreuzt, erledigt, nun warten bis zur nächsten Wahl! Nein, mit Jürgen Moltmann setze ich auf die Hoffnung, sammle Kraft und Mut und Geduld – zusammen mit Euch! Lasst uns nicht den Kopf hängen. Stehen wir weiterhin auf fürs Leben und eine lebenswerte Zukunft. Und lasst uns einander zum Lachen bringen. Es öffnet uns das Himmelreich – schrieb Jürgen Moltmann. Es öffnet uns die Welthoffnung – sage ich.

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"Grundgesetz 75" (Stephan, 24.05.24)

Es ist eigentlich ein „Fliegengewicht“: 1.396 Gramm „leicht“ und 35 mal 24 cm groß. Es hat rund 21.000 Wörter. Der kürzeste Artikel mit nur drei Wörtern ist Nr. 31: "Bundesrecht bricht Landesrecht." Mit 764 Wörtern ist der längste Artikel 106 (Teil der Finanzverfassung). Das Original liegt in eine Kassette aus Museumskarton eingelegt im Parlamentsarchiv des Bun-destags. Ihren Amtseid schwören die Mitglieder der Bundesregierung nicht auf die Original-Urkunde, sondern auf hochwertige Kopien der Version von 1949. Am 23. Mai 1949 ist es „geboren“. Happy Birthday Grundgesetz zum 75.!

In den vergangenen Tagen wurde es mit vielen Geburtstagspartys gefeiert.
75 Jahre Grundgesetz – Anlass zum Feiern? Oder eher Grund zur Sorge?

61 Männer und 4 Frauen des Parlamentarischen Rats haben es nach dem finstersten Kapitel der deutschen Geschichte damals noch für Westdeutschland beschlossen.
Am 3. Oktober 1990: Das Grundgesetz wurde für das wiedervereinigte Deutschland übernommen und nicht in eine neue, gesamtdeutsche Verfassung umgeschrieben. Leben wir immer noch mit einem Provisorium?
Und heute: Rassistisches Party-Video auf Sylt, Skandale um AfD-Abgeordnete, geplanter An-schlag auf die Heidelberger Synagoge, rechtsextreme Parteien versuchen, die Demokratie auszuhebeln. Ist das Grundgesetz niet- und nagelfest gegen demokratiefeindliche Bestrebungen?

Nun sind die Geburtstagsfeiern zum 75. vorbei. Jetzt nehmen wir unser Grundgesetz mit in den Alltag und sollten gut darauf aufpassen. Denn es ist eine der besten Verfassungen der Welt. Es enthält so Wichtiges wie persönliches Freiheitsrecht, Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungsfrei-heit, Gleichberechtigung, Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Wissenschaft. (Lest euch die 19 Grundrechte mal in Ruhe durch – es lohnt sich!) Es beginnt nicht wie viele Verfas-sungen mit einem Land / Staat / Volk, sondern in Artikel 1 mit der Menschenwürde. Allein das ist so „wert-voll“, um uns dafür einzusetzen, dass wir „in guter Verfassung“ für die Zukunft bleiben. Bleiben wir wachsam, wenn gehetzt, verachtet oder Menschen(würde) verletzt werden, egal ob bei Wahlen, auf der Straße oder im Freundeskreis. Als Demokrat und Christ helfen mir dabei zwei „wert-volle“ Sätze, ein Zwillingspaar für unser Miteinander:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (GG, Art.1)
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Bibel, an mehreren Stellen)

Beides gilt nicht nur für meine Liebsten, sondern für alle Menschen!

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"Wunder-voll!" (Stephan, 06.05.24)

Wunder in den vergangenen Tagen – von diesen drei habe ich gehört: 

- „Handball-Wundernacht“: Nach einer Neun-Tore-Niederlage im Hinspiel gegen Montpellier HB hat der THW Kiel das Rückspiel mit 31:21 gewonnen und ist im Champions League-Halbfinale. Wer hätte damit gerechnet!? Und stattgefunden hat das Wunder in der Wunderino Arena!!!

- „Das größte Wunder“ meldet die Nasa. „Voyager 1“, die mit 24 Milliarden Kilometern am wei-testen von der Erde entfernte Weltraumsonde schien verloren. Seit 5 Monaten nur noch unver-ständliche Signale. Doch jetzt wieder eine klare Verbindung. Die Nasa wundert sich und jubelt.

- Das dritte Wunder: Eine junge Frau erzählt mir, wie ihre Liebe enttäuscht und ihre Gefühle ver-letzt worden sind. Also Liebes-Schutzpanzer aufbauen! Doch plötzlich kommt eine neue Liebe ins Spiel, Schmetterlinge im Bauch, und sie kann es zulassen – wie ein Wunder.

Was sind eigentlich Wunder? Wenn etwas objektiv „Unmögliches“ geschieht? Wenn Naturgeset-ze durchbrochen werden? Oder wenn ich Unerwartetes erlebe?
Welche Wunder habt ihr schon erlebt oder gehört? Große oder kleine? Ganz unglaubliche (wie Gesundwerden nach lebensbedrohlicher Krankheit) oder unglaublich schöne (wie gestern Abend der Regenbogen am Himmel oder der Löwenzahn im Asphalt vor unserem Haus)…

Eine richtig volles „Wunderbuch“ ist die Bibel – voller Wunder, die Menschen in ihrem Leben oder mit Gott erleben; oder mit Jesus: Da wird Wasser zu Wein, 5000 werden von ganz wenig satt, ein Seesturm wird besänftigt, Kranke werden geheilt und am Ende Abflug in den Himmel (feiern wir am Donnerstag an „Himmelfahrt“).
Sind diese Wunder „wahr“? Sind sie wirklich so passiert? So fragen Menschen (auch Theo-log*innen) bis heute. Und sind fasziniert von der Kraft des Glaubens, staunen über die Wunder-Macht Gottes oder legen die Bibel als unrealistisches Buch zur Seite. Kann man so oder so ma-chen. Oder wir kratzen nicht nur an der Oberfläche, sondern graben tiefer. Denn da geht es (zumindest bei Jesus) darum, den Blick aufs Leben und die Perspektive zu wechseln.

Da geht es darum, dass alle satt werden, in ihrem Hunger nach Brot oder Frieden.
Da geht es darum, dass die ausgegrenzt Krankgeschriebenen in die „gesunde Mitte“ kommen.
Da geht es darum, dass wir die Stürme des Alltags in den Griff bekommen.
Da geht es darum, dass wir das Leben wieder feiern lernen (mit Wasser und Wein!).
Da geht es darum, dass der Himmel der Erde nahekommt (oder umgekehrt).

Also alles nur Psychologie? Alles nur symbolisch-metaphorisch? Nicht nur, denn die biblischen Wunder haben eine persönliche und politische Seite, eine gesellschaftliche und eine glaubens-starke. Glaube nimmt das Leben neu in den Blick, sieht Möglichkeiten im Miteinander und gibt verlorengegangener Hoffnung eine neue Chance oder kann einfach unglaublich staunen lassen. Dieser Blickwechsel ist der Anfang von Wundern. So wie es der Autor Gilbert Keith Chesterton einmal geschrieben hat: „An Wundern ist niemals Mangel in dieser Welt, sondern nur am Sich-wundern-können.“ – unser Motto für dieses Sommersemester. 

Probiert es aus in dieser Woche. Übt euch im (nicht empirisch begründbaren) „Sich-wundern-können“ und schaut, was passieren kann (nicht nur beim Handball, im Weltraum oder an Him-melfahrt). Und wenn ihr noch mehr Wunder wollt, kommt am Di. 14.05. zu unserem „Wunder-Gottesdienst“,

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"KI" (Stephan, 22.04.24)

„KI hat nichts mit Aliens zu tun.“, ein Satz vom Wochenende, der bei mir hängengeblieben ist, ein Satz aus einem Vortrag eines Informatikers: „Künstliche Intelligenz und ChatGPT – Wie funktio-niert das, was kann das und was hat das alles mit Aliens zu tun?“, so war der Vortrag über-schrieben. Die Aliens waren schnell erledigt, die gehören nicht zur KI, sondern in coole Science-Fiction-Filme. Aber darüber hinaus haben wir gehört, wie KI „ganz basic“ aufgebaut ist, von Mög-lichkeiten für die Wissenschaft und von Fake-Gefahren, psychischer Manipulation und Monopo-lisierung, und was es für die Bildung bedeutet an Schulen und Hochschulen.

Auf dem Heimweg hat mich ein zweiter Satz neben dem mit den Aliens begleitet: „Was genau im Inneren von KI und ChatGPT passiert, wissen wir nicht wirklich, auch wir Experten nicht.“
Vortrag – Heimweg – ich stolpere – über diesen Satz – in Gedanken, und ich bin fasziniert und erschreckt zugleich. Faszination und Erschrecken – das kenne ich doch! Dieses Gegensatz-Wortpaar, als Theologe. Fascinosum und tremendum – es ist eine Umschreibung der Begeg-nung mit dem Heiligen. Der Religionswissenschaftler Rudolf Otto hat mit dem Wortpaar die religiöse Erfahrung beschrieben, die Gott auslösen kann: faszinierend oder erschreckend, oder beides zugleich.

KI und Gott - was da im Inneren passiert und was es für uns bedeutet, das verstehen wir nicht wirklich: faszinierend und erschreckend zugleich. KI und Gott, beides entzieht sich unserem voll-ständigen „Zugriff“. Gott und KI, beides wollen wir bis in seine Tiefe ergründen und stoßen zu-gleich an die Grenzen unseres Verstands.
KI und Gott, beides faszinierend und erschreckend, und doch mit einem Unterschied: KI ist von Menschen gemacht, Produkt seines Denkens und seiner Schaffenskraft. Gott hingegen ist kein „Produkt“ unserer Schaffenskraft, sondern selbst Schöpfer. (Wobei auch das ließe sich durch-denken und diskutieren…) Als Christ glaube ich und als Theologe ergründe ich wissenschaftlich die Tiefen des Wesens Gottes und dessen Beziehung zu dieser Welt und unserem Leben.

Es gibt viele, denen ist das zu undurchschaubar und halten Abstand zur KI oder entfernen sich von Glauben und Gott. Bei mir überwiegt das Faszinosum, mich reizt das Geheimnisvoll-Undurchschaubare. Und weil ich es faszinierend finde, bleibe ich dran – mit einer Portion Neu-gier und Skepsis: Ich bleibe dran an der KI (auch wenn ich sie als Laie nur ansatzweise erken-ne). Und weil ich es faszinierend finde, bleibe ich dran – mit einer Portion Neugier und Skepsis: Ich bleibe dran an der KI (auch wenn ich sie als Laie nur ansatzweise „erkenne“). Und ich bleibe dran an Gott (mit dem ich mich ein Stück weit näher „auskenne“).

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"zwischen den Zeiten!" (Stephan, 10.04.24)

Es geht wieder los: Die Semesterferien sind vorbei. Das Sommersemester startet nach der HVF im März nun in dieser Woche auch an der PH und den Akademien. Ich wünsche euch allen ei-nen guten Start.
Blick zurück auf die vorlesungsfreie Zeit, heute ins Sommersemester durchstarten und die Fra-ge: Was wohl kommen wird, was das neue Semester bringen wird? Vorbei, heute und neu – von Vergangenheit über Gegenwart hin zur Zukunft – das fühlt sich für mich ein wenig an, wie zwi-schen den Zeiten. Das ist mir in diesen Tagen mehrfach begegnet, dieses Zeiten-Wechselspiel:

„Die Vergangenheit kann ich nicht ändern.“ So sagte es mir einer, der nicht zurückschaut, weil es früher nicht leicht war. Auch jetzt gerade ist es echt schwer. Er konzentriert sich auf die Ge-genwart, denn zu mehr reichen die Kräfte nicht. Ich kann´s verstehen bei dem, was er mir er-zählt. Ich gehe ein Stück mit ihm mit. Wir suchen Möglichkeiten im Hier und Jetzt.

„Reset – Wie weit willst du gehen?“ Eine Frau bekommt eine zweite Chance und dreht am Rad der Zeit. Sie versucht, die Vergangenheit zu verändern, um den Tod ihrer Tochter zu verhindern. Es ist die Grundidee einer aktuellen ZDF-Serie - ein nachdenkenswertes Film-Gedankenspiel. Was, wenn die Vergangenheit jetzt wäre? Könnte ich die Gegenwart beeinflussen?

„Zukunft ist keine ferne Zeit, sondern etwas, das alle Menschen ständig erzeugen.“ Ein Satz auf der ersten Seite eines Buches, das ich gerade lese (Florence Gaub, Zukunft. Eine Bedienungsanlei-tung). Sich Zukunft vorstellen und gestalten, das ist die „schlafende Superkraft“ des Menschen, so ihre Grundthese. Ich finde sie spannend: Da rückt die Zukunft nah an uns heran.

„Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“, ein Satz Jesu aus seiner Bergpredigt. Es sind Worte, die entlasten und zugleich herausfordern, die mich von Druck befreien und zugleich ratlos zurücklassen: „Wie soll das funktionieren?“ Manche Worte Jesu sind echt radikal, gehen an die Wurzel meines Glaubens, Denkens und Handelns.

Sich nicht um morgen sorgen oder die Zukunft gestalten? Ganz schön faszinierend und verwir-rend zugleich, die „Zukunfts-Gedanken-Reisen“, auf die ich gerade mitgenommen werde. Bevor ich mich an die weitere Zukunft mache (in unserem Land und für die Welt), freue ich mich jetzt auf diese Woche, im Hier und Jetzt: auf Erlebnisse und Begegnungen auch mit euch bei unseren Veranstaltungen oder anderswo. Ich bin gespannt, was da passiert vom „früher“ übers „nun“ zum „bald“. Wenn sich Menschen begegnen, kann Besonderes geschehen, zeitlos oder alle Zeiten umfassend.

Euch wünsche ich genügend Kräfte „zwischen den Zeiten“ und Neugier auf diese Woche...

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"Taxi-Nächstenliebe!" (Stephan, 04.03.24)

Letzte Woche habe ich eine gute Geschichte gehört. Und die nehme ich mit in diese Woche. Neben all den schlechten Nachrichten brauche ich auch Good News. Und gute Geschichten muss man teilen. Daher zum Beginn dieser Woche für euch die Geschichte von Bus, Taxi und Lenny allein in Berlin.

Lenny ist 14 Jahre alt und wohnt im bayrischen Kitzingen. Er will seinen Vater in Pforzheim be-suchen. Aber dort ist er nicht angekommen. Der Vater hat aus Versehen eine falsche Busver-bindung gebucht. Bei der Abreise in Würzburg checkt Lenny noch die Bus-Nummer. Alles o.k., er steigt ein. Aber auf der Fahrt bemerkt Lenny, dass der Bus nicht nach Pforzheim fährt. Und noch schlimmer: Das Ziel der Busfahrt liegt in ganz anderer Richtung: Berlin! 500 km, ohne Zwischenhalt!

Der 14jährige ruft mit dem Handy seine Mutter an. Die sagt, dass sie mit dem Auto nach Berlin fährt und ihn abholen wird. Und sie hat noch eine Idee: Lenny soll an der Busankunftsstelle ein Taxi nehmen und zum Hauptbahnhof Berlin fahren. Dort will sie ihren Sohn abholen.

Jetzt kommt Taxifahrer Maschid Aso Dolay ins Spiel. Er kommt ursprünglich aus dem Iran und kennt Berlin gut. Als Lenny in Berlin in sein Taxi steigt und ihm seine Geschichte erzählt, ist er von der Idee der Mutter nicht wirklich begeistert. Der Berliner Hauptbahnhof ist für einen 14-Jährigen kein guter Ort, um dort am späten Abend stundenlang alleine zu warten. Er ruft die Mutter an und spricht sich mit ihr ab. Er schickt Mutter Andrea seine Handynummer, seinen Namen, die Adresse, ein Foto vom Taxi mit Kennzeichen. Sie soll wissen: Bei ihm ist Lenny sicher. Lenny soll bei ihm im Taxi bleiben, bis die Mutter angekommen ist.

Maschid dachte, die Mutter käme irgendwo aus der Umgebung von Berlin. Als er hört, dass sie aus Würzburg 5 Stunden Fahrt vor sich hat, sagt er nur „Scheiße, Scheiße!“, und macht das Beste daraus. Er macht für Lenny eine Berlin-Taxi-Stadtrundfahrt, zeigt ihm das Brandenburger Tor und besorgt in einem Imbiss noch etwas zu essen. Es geht langsam auf Mitternacht zu. Damit die Mutter ihren Sohn schneller in Empfang nehmen kann, fährt Maschid ihr ein Stück entgegen. Die drei treffen sich mitten in der Nacht in Potsdam an einer Autobahnraststätte. Dort gibt es Tränen – des Glücks! Und der unerwartete Berlin-Trip hat ein Happy End.

Ich liebe diese Geschichte, sie tut so gut in diesen Zeiten! Und es gibt eine biblische Geschichte, die dazu passt. Für mich ist es die gute Geschichte, die Jesus vom Barmherzigen Samariter erzählt hat. Lenny hat sich verfahren, in Jesu Geschichte wurde einer überfallen. Der Barmher-zige Samariter hat mit einem Esel geholfen. Maschid hat mit seinem Taxi geholfen. Beide haben mit Nächstenliebe zu tun. Beide sind Evangelium, „gute Geschichten“.
Und so wünsche ich euch für diese Woche, dass auch ihr noch die eine oder andere good news hört oder erlebt. Oder dass ihr selbst „Taxifahrer*innen“ durch die Irrstraßen des Lebens für an-dere sein könnt,

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"Großzügigkeit" (Stephan, 22.01.24)

Was hat Gott ganz am Anfang gemacht? Diese Frage kam mir dieser Tage in den Sinn – ich weiß auch nicht warum, so ist das manchmal eben mit Gedanken, die einfach so kommen.
Was hat Gott ganz am Anfang gemacht? - Die einen sagen: „Das Licht, so steht´s in der Bibel.“ „Weiß ich nicht, ich war nicht dabei.“, antwortet eine andere. „Gar nichts, am Anfang war der Urknall.“, sagt ein Besserwisser.

Was hat Gott ganz am Anfang gemacht? Ich glaube (genau weiß ich es nicht, ich war auch nicht dabei), als erstes hat er die Großzügigkeit gemacht. Denn ohne sie - das wusste Gott - würde es nichts werden oder wenn, dann nur halbe Sachen. Und halbe Sachen waren noch nie Gottes Ding. Gott will aus dem Vollen schöpfen; und deshalb von Anfang an: Großzügigkeit.

Schon beim Licht (das die Bibel als erstes Schöpfungswerk beschreibt) Großzügigkeit: Unend-lich viele Farben bringt das Licht zum Strahlen, mehr als unser Auge sehen kann. Und so ging und geht es weiter: Die Meere füllte Gott randvoll mit Wasser und manchmal sogar darüber hinaus. Der Mount Everest wurde 8848 m hoch, ein Riesenkerl – wäre er etwas kleiner, auch nicht schlimm, aber dann wäre es nicht so großzügig gewesen! Bei den Sternen am Himmel war Gott besonders verschwenderisch-großzügig, nicht mal mit dem James Webb Teleskop könnten wir alle sehen (und zählen schon gar nicht!). Und dann unser Kirschbaum, auf dem lässt Gott manchmal so viele Kirschen wachsen, dass wir sie nicht auf einmal essen können. Darum gibt es so etwas Leckeres wie Marmelade. Und noch großzügig-süßer als Kirschen sind Küsse! Der Mensch bekam 10 Finger, Tausendfüßler 1000 Füße, die Libelle mehrere Zehntausend Au-gen. So wunderbar-unterschiedliche Lebewesen krabbeln, springen, schwimmen und flattern, so herrliche Pflanzen wachsen, blühen und verteilen sich auf, unter und über der Erde. Es sind so viele, dass wir manche noch nicht einmal entdeckt haben in den Tiefen der Regenwälder oder Ozeane. Großzügig der unvergleichliche Duft einer Rose, die unendliche Zeit von Schnecken, die unvorstellbare Leichtigkeit von Schneeflocken, der Nachhall des letzten Tons eines Konzer-tes vor dem einsetzenden Applaus, der Moment vor dem Beginn eines Traums, ein Brötchen mit Butter und Nuss-Nougat-Creme, die kribbelnde Sehnsucht nach den Geliebten, die Schmetter-linge im Bauch, wenn er oder sie dann da ist… alles Großzügigkeit. Und es geht weiter:

Am Anfang war bei Gott die Großzügigkeit! Und am Ende? Da hat Gott wahrscheinlich gesagt: „Jetzt erst recht!“, und hat weitergemacht und lässt uns weitermachen. So lade ich euch ein, teilt die Großzügigkeit mit vollen Händen, heute und jeden Tag. Verschenkt Lächeln an die um euch herum oder an den Morgen, wenn ihr aufwacht. Packt den Himmel in euren Rucksack und ver-teilt ihn unterwegs durchs Leben. Backt Sonntags-Käsekuchen und ladet andere zum Kaffee-trinken ein. Genießt Sonnenaufgänge oder Schneeflockenwirbel und erzählt anderen davon oder schickt ihnen Fotos. Und bei der Liebe, da seid auf keinen Fall knauserig; denn von ihr muss noch viel mehr hinaus in die Welt, zu den Liebsten, zu Oma und Opa, zur Nachbarin um die Ecke, zu allen Kindern dieser Erde und den Diktatoren, die ihr Herz verloren oder versteinert haben.

Seid großzügig. Denn es reicht auf jeden Fall. Oder es reicht auch niemals, weil es immer wei-tergeht, großzügig eben… - so glaube ich es... 

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"Rausschmeißen, bitte!" (Stephan, 15.01.24)

„Einsteigen, bitte!“ - diese Durchsage ist seit dem Wochenende wieder am Bahnsteig zu hören. Und nicht mehr: „Heute fahren wegen des Bahnstreiks von diesem Gleis keine Züge!“

Eine andere Art „Durchsage“ war in diesen Tagen zu lesen: „Rausschmeißen, bitte!“ -
   nicht genau diese Worte, aber mit der Absicht
   nicht am Bahnsteig, sondern in einem Landhotel      
   im November 2023, nun 2024 aufgedeckt vom Rechercheteam „Correctiv“.

„Rausschmeißen, bitte!“, eine solche Durchsage bei der Bahn – unvorstellbar! „Rausschmeißen, bitte!“, noch unvorstellbarer die Töne aus dem Landhotel, denn dort ging es nicht um eine Zugfahrt. Bei einem Geheimtreffen von AfD-Politikern und bekannten Rechtsext-remen wurde ein Masterplan entworfen, Millionen Menschen aus unserem Land „rauszuschmei-ßen“. So hieß es nicht wörtlich, sondern es wurde „Remigration“ genannt. Kein neues Konzept in rechten Kreisen zur „Rückführung“ von geflüchteten oder eingewanderten Menschen in ihre Herkunftsländer.
Beim Treffen in Potsdam wurde aber wohl auch diskutiert, inwiefern man „nicht assimilierte Staatsbürger“ in einen „Musterstaat“ in Nordafrika „hinbewegen“ könne. „Nicht assimilierte Staatsbürger“, das hieße für möglicherweise Millionen von Menschen mit deutschem Pass und Migrationshintergrund: „Rausschmeißen, bitte!“. Und wer weiß, wer als nächstes dran wäre.

Am Wochenende fragte mich jemand: „Sollten wir nicht überlegen, ob wir auswandern, bevor auch wir ausgewiesen werden?!“ Das hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Ich bin in Berlin geboren, habe einen deutschen Pass, bin 17-mal in meinem Leben umgezogen, in und außer-halb Deutschlands, und setze mich für eine gute Asyl- und Einwanderungspolitik ein. Da gibt es keine „einfachen“ Lösungen, aber „Remigration“ ist gar keine!

Ich, auswandern? Nein! Mich rausschmeißen lassen? Nein!

Deutschland ist mein Heimatland und soll es bleiben, für mich und viele andere, die hier geboren sind oder hierherkommen, aus verschiedensten Gründen. Es soll ein Land sein, das Menschen nicht in „bleibeberechtigt“ oder „nicht assimiliert“ einteilt; ein Land, das die Menschenwürde aller garantiert, in seinem Grundgesetz und auch im Sinne der meisten Menschen dieses Landes. Und für mich als Christ auch im Namen dessen, der Menschen nicht in mehr oder weniger wert eingeteilt hat, im Namen Jesu, der gerade diejenigen in den Mittelpunkt gestellt hat, von denen andere sagten: „Nicht so wichtig!“ oder „Rausschmeißen, bitte!“
Deshalb bleibe ich hier und hoffe auf viele Millionen, die es auch tun und sich dafür einsetzen, dass unser Land im besten Sinne menschenfreundlich bleibt und nicht aufs ganz falsche Gleis gerät.